100 Tage Schwarz-Grün: „Da war noch nix“

Haushalts- und Bildungspolitik im Fokus der Opposition
Debatte über Geheimabsprache bringt Senat in Bedrängnis

100 Tage nach Antritt des schwarz-grünen Senats macht sich – so SPD-Fraktionschef Michael Neumann und SPD-Fraktionsvize Ingo Egloff – weitgehend Ernüchterung breit. „Die aktuelle Debatte über Geheimabsprachen jenseits des Koalitionsvertrages bringt den konservativen Senat schon nach 100 Tagen politisch in Bedrängnis. Über seine Leistungen kann man noch nicht viel sagen. Denn er hat noch nichts geleistet“, sagte Neumann am Donnerstag. Bei den bisher erzielten „Kompromissen zwischen CDU-Konservatismus einerseits und grünen Träumereien anderseits“ sei meist Murks herausgekommen. Egloff bezeichnete es als „vielsagend“, dass sich Bürgermeister von Beust nicht zu einer Bewertung der ersten 100 Tage seines Senats habe durchringen können. „Unbeabsichtigt gibt Herr von Beust uns Recht: Da war noch nix“, sagte Egloff.

Schwarz-Grün habe von seiner Faszination schon in den ersten 100 Tagen viel verloren, sagte Neumann weiter. Von einem Modellprojekt für andere Länder oder gar den Bund rede niemand mehr. In Hamburg lägen CDU und GAL in wichtigen Ressorts weit auseinander – etwa in der Schul-, Wirtschafts- und Innenpolitik. „Schwarz und Grün lösen politische Widersprüche nicht auf. Sie kleistern sie zu. Zustande gekommen sind faule Kompromisse, mit denen niemand wirklich zufrieden sein kann und die die Stadt nicht voranbringen“, sagte Neumann.

Die Aufdeckung von Nebenabsprachen jenseits des schwarz-grünen Koalitionsvertrages bringe den Senat in eine Glaubwürdigkeitskrise: „Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages durch Bürgermeister von Beust, CDU-Chef Freytag sowie GAL-Fraktionschefin Goetsch und GAL-Landeschefin Hajduk ist unmissverständlich erklärt worden, es gebe neben dem Koalitionsvertrag keine weiteren Absprachen. Diese Aussage glaubt jetzt niemand mehr. Im Senat und innerhalb der Koalitionsfraktionen knirscht es bereits. Es wäre ein Skandal, wenn Schwarz-Grün mit einer faustdicken Lüge in die Legislaturperiode gestartet wäre. Und vieles spricht dafür. Hier müssen sich die Spitzen von CDU und GAL unmissverständlich äußern. Auf einen Hamburger Senat muss man sich verlassen können.“

Schwarz-Grün verpasse die Chance, schon zu Beginn der Legislaturperiode Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. In der Sozialpolitik gebe es keinerlei Bereitschaft, der sozialen Spaltung der Stadt entgegenzuwirken, für den Hochschulbesuch würden weiter Studiengebühren kassiert. In Bildungs- und Hochschulpolitik bleibe es dabei, dass die Bildungschancen von Kindern und jungen Leuten vom Portemonnaie der Eltern abhängen. „CDU und GAL haben versäumt, durch das Streichen von Bildungsgebühren einen Kurswechsel im gesamten Bereich der Bildungspolitik vorzunehmen“, sagte Neumann.

Bei größeren Projekten zeige sich der schwarz-grüne Senat unentschlossen und überfordert. Neumann nannte etwa das Gezerre der Ausrichtung der Universiade oder den laufenden Streit um den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg. Hier habe die schwarz-grüne Politik sich vor einer Entscheidung gedrückt und die Verantwortung auf die Justiz abgeschoben. „Regieren sieht anders aus“, sagte der SPD-Fraktionschef.

In der Schulpolitik stehe der Senat jetzt schon unter Druck. Die Einführung der Primarschulen gehöre zu einer Reihe von Versprechungen, von denen niemand wisse wann und vor allen wie sie umgesetzt werden sollen – „von der Finanzierung ganz zu schweigen“, sagte Neumann. „In der Bildungspolitik ist es wichtig, Eltern und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler auf dem Reformprozess mitzunehmen. Senatorin Goetsch aber greift zur Brechstange und führt in Hamburg die Primarschule ein, die in Berlin gerade erst gescheitert ist“. Es sei ein „Skandal“ dass Schwarz Grün den Elternwillen abschaffe. „Eltern sollen nach dem Wunsch von CDU und GAL keinen Einfluss mehr auf die Wahl der weiterführenden Schulform haben. Damit provozieren Herr von Beust und Frau Goetsch Widerstand der Eltern und fügen der richtigen Idee vom längeren gemeinsamen Lernen Schaden zu.“

Egloff bezeichnete es als bemerkenswert, dass die Koalitionäre „in Windeseile“ zentrale Versprechen über Bord geworfen haben. Egloff nannte etwa die vom Bürgermeister als „nicht verhandelbare“ Aussage, es dürften keine neuen Schulden gemacht werden. „In Wirklichkeit weiß mittlerweile jeder, wie es um den Haushalt bestellt ist. Die Steuereinnahmen sprudeln, aber Finanzsenator Freytag ist es nicht gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Stattdessen verscherbelt er das Tafelsilber der Stadt. Das ist das Gegenteil von solider Finanzpolitik.“ Wenn der Bürgermeister jetzt über Steuererhöhungen nachdenke, zeige dies in erster Linie eins: „Hamburg hat ein Problem mit den Ausgaben, nicht mit den Einnahmen. Schwarz-Grün kommt mit dem Geld nicht aus“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvize.

Neumann erteilte Überlegungen für Steuererhöhungen eine klare Absage. „Bevor die Hamburgerinnen und Hamburger weiter belastet werden, muss der Senat bei seinen Projekten den Rotstift ansetzen“, sagte Neumann. Der Koalitionsvertrag sehe zusätzliche Ausgaben in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro vor. Davor habe der CDU-Senat Projekte für 800 Millionen Euro beschlossen. „Schwarz-Grün hat also viele Möglichkeiten zu sparen“, sagte Neumann. Die Hamburger Steuerzahler dürften nicht für fragwürdige politische Experimente zur Kasse gebeten werden.

Egloff äußerte sich besorgt über die zukünftige finanzielle Absicherung des Hamburger Hafens. „Bisher gab es Einigkeit unter den großen Parteien, dass alles für die Konkurrenzfähigkeit des Hamburger Hafen getan werden muss. Es ist Besorgnis erregend, dass in CDU und GAL jetzt überlegt wird, die Investitionen in den Hafen zurück zu fahren. Hier setzt die CDU um des Koalitionsfriedens Willen die Zukunft des zentralen Wirtschaftsfaktors in Hamburg auf Spiel“, warnte Egloff.

Neumann kündigte eine „harte und sachliche Auseinandersetzung mit Schwarz-Grün“ an. „Mit den anstehenden Haushaltsberatungen wird die Öffentlichkeit endlich erfahren, in welchem Zustand sich die Hamburger Staatsfinanzen befinden. Die Öffentlichkeit wird dann auch erfahren, welche Pläne und Ankündigungen von Schwarz-Grün in der Versenkung verschwinden werden.“ Der SPD-Fraktionschef wiederholte die Grundausrichtung der SPD in der Auseinandersetzung mit Schwarz-Grün: „Wir werden die Arbeit von Schwarz-Grün nüchtern und sachlich bewerten, wir werden Richtiges richtig nennen und Falsches falsch.“ Neumann begrüßte in diesem Zusammenhang die Entscheidung von Schwarz-Grün, die Planung zur Einführung einer Stadtbahn wieder aufzunehmen und das Engagement von Senat und Fraktionen gegen den Verkauf von Hapag-Lloyd.
Schwerpunkte der politischen Arbeit der SPD würden die Haushalts- und Schulpolitik sowie der Kampf gegen die fortschreitende soziale Spaltung der Stadt sein, kündigte der SPD-Fraktionschef an. Die neue und wesentlich jüngere SPD-Bürgerschaftsfraktion habe in der schwarz-grünen Legislaturperiode schnell Tritt gefasst. „Es ist uns gelungen, zum Beispiel in den wichtigen Ressorts Haushalt, Schule und Justiz neue Abgeordnete zu positionieren, die sich auf Augenhöhe mit den Senatorinnen und Senatoren auseinandersetzen können.“