Mit einem leidenschaftlichen Appell für einen gemeinsamen Aufbruch über die „Schwelle zu einer neuen Zeit“ hat Frank Steinmeier die Veranstaltungsreihe „Das Neue Jahrzehnt“ eröffnet. In Hamburg bezeichnete der SPD-Kanzlerkandidat 2009 als „Jahr der Bewährung“. Jetzt müsse ein neuer Gesellschaftsentwurf erarbeitet werden. Die ihm wichtigen Werte, die Grundlagen für das Zusammenleben, für die der Sozialdemokrat steht, leiten sich auch aus Steinmeiers Biografie ab.
Vor rund 750 Gästen skizzierte Steinmeier seine Ideen für das neue Jahrzehnt – für eine Politik des Wohlstands, der Teilhabe und der sozialen Gerechtigkeit. Dabei sieht er das Jahr 2009 nicht allein wegen der zahlreichen Wahlen in Deutschland als wichtige Weichenstellung. Im Zuge der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise eröffne sich die Chance, grundlegende Koordinaten hin zu einer menschlicheren Gesellschaft zu verschieben.
„Krisenzeiten sind auch Gestaltungszeiten“, erinnerte der SPD-Kanzlerkandidat. „Wir haben allen Grund, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen.“ Selten sei die Zeit für einen Neuanfang so günstig. „Das Fenster der Geschichte“, so Steinmeier, „hat sich geöffnet“. Jetzt gehe es um die Fähigkeit zum Handeln.
Dabei setzt der Sozialdemokrat auf eine enge Zusammenarbeit vor allem auch mit dem neuen US-Präsident Barack Obama. Gemeinsam ließen sich neue Ansätze in der Klima- und Energiepolitik, aber auch für die internationalen Finanzmärkte und im globalisierten Handel umsetzen.
Die Menschen in Deutschland rief Steinmeier zu einer gemeinsamen „nationalen Kraftanstrengung“ zur Überwindung der Krise auf. Dabei gehe es nicht nur ums Geld. „Es geht vor allem um eine andere Haltung. In der Gesellschaft heißt das für mich: mit mehr gegenseitigem Respekt.“ Die Politik müsse mit „Redlichkeit, Ernsthaftigkeit und Substanz“ handeln, unterstrich der SPD-Kanzlerkandidat.
Seine Erdung, seinen klaren Blick für die Sorgen und die Situation der Menschen im Land bezieht Steinmeier, der als Vizekanzler und Chef-Diplomat auch auf der großen internationalen Bühne zu Hause ist, nicht zuletzt aus seiner Herkunft. Aufgewachsen in Detmold, einer der ärmsten Regionen Westfalens, hat sich er sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet. Es ist die Geschichte eines Arbeiterkindes, das als erstes aus der Familie die höhere Schule besucht und studiert hat. Nicht zuletzt die „Segnungen“ der sozialdemokratischen Bildungsreformen haben ihn auch zum überzeugten Sozialdemokraten werden lassen. Soziale Chancengleichheit im Bildungswesen sind ihm daher auch heute ein zentrales Anliegen und Ziel seiner Politik.
Im Gespräch mit dem Vorwärts-Chefredakteur Uwe-Karsten Heye betont Steinmeier auch, dass er sich der Bedeutung von Zufällen und Glück in seiner Biografie bewusst sei. Dies mache ihn in gewisser Weise auch demütig. Zu seinen Eigenschaften zählt der SPD-Kanzlerkandidat so auch Bodenständigkeit, Gelassenheit und ein starkes Nervenkostüm.
Von der beschriebenen Bodenständigkeit Steinmeier konnten sich die Gästen noch am späteren Abend überzeugen, als der Vizekanzler noch lange für persönliche Gespräche blieb. Auch dabei wird er seine Überzeugung formuliert haben: „Auf jede und jeden kommt es an. Machen wir das neue Jahrzehnt gemeinsam zu einem guten Jahrzehnt!“