Trotz Hafengeburtstag und Freitagabend war im Kaisersaal des Hamburger Rathauses am 5. Mai kaum noch ein Platz zu bekommen. „Wir sind Europa!“ so der ebenso selbstbewusste wie kämpferische Titel der Veranstaltung, zu der die SPD-Bürgerschaftsfraktion und des SPD Europaabgeordneten Knut Fleckenstein zu Beginn der diesjährigen Europawoche eingeladen hatte.
Fraktionschef Andres Dressel wies in seiner Begrüßung auf die Gefahren hin, denen sich der europäische Einigungsprozess durch grassierenden Populismus und wachsende Europafeindlichkeit gegenüber sähe. Die Probleme, vor denen die EU stehe, seien jedoch nicht durch Abkehr von der EU, sondern durch deren Stärkung zu lösen. Auf den Titel der Veranstaltung eingehend betonte Dressel, dass es vor allem die Menschen seien, die Europa ausmachen, nicht die Institutionen.
Ähnliche Akzente kamen auch in den folgenden drei Gesprächsrunden vor, zu denen der als Moderator fungierende Europapolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Sören Schumacher jeweils zwei Gäste begrüßte. In der ersten Runde diskutierten die junge Harburger Bezirksabgeordnete Ronja Schmager und Georg Jarzembowski, der unter anderem von 1991 bis 2009 Mitglied des europäischen Parlaments war. Sie gingen der Frage nach, ob es eine Begeisterung für Europa gab und gibt und wie diese sich gegebenenfalls über die Jahrzehnte verändert hat. Früher, so Georg Jarzembowksi, sei die europäische Einigung ein Traum gewesen, für den sich viele begeistern konnten. Inzwischen sei sie eine Selbstverständlichkeit und dies habe die Begeisterung vertrieben. Ronja Schmager kann in ihrer Generation durchaus Begeisterung für Europa feststellen, wenngleich auch für sie beispielsweise die offenen Grenzen selbstverständlich seien. Sie wünsche sich jedoch mehr Solidarität in Europa und die Entwicklung eines europäischen Gemeinschaftsgefühls. Es sei durchaus kein Widerspruch, sich sowohl als Hamburgerin als auch als Europäerin zu fühlen.
In der zweiten Runde begrüßte Sören Schumacher den Journalisten Jürgen Heuer und Peter F. Schmid, CEO eines mittelständischen, im gesamten europäischen Raum tätigen Unternehmens. Schmid betonte in seinen Ausführungen die wirtschaftliche Bedeutung der EU für Deutschland; so seien 50 Prozent des deutschen Mittelstandes im gesamten europäischen Raum tätig. Vor diesem Hintergrund müsse der Einigungsprozess noch wesentlich weiter vorangetrieben werden, beispielsweise in der Steuergesetzgebung. Über die wirtschaftlichen Aspekte der EU werde seiner Meinung nach, auch in den Medien, zu wenig gesprochen. Jürgen Heuer nahm diesen Ball auf, gab jedoch zu bedenken, dass es sich dabei teilweise um sehr spezielle Probleme handle, die nur ein verhältnismäßig kleine Zielgruppe interessiere. Er kritisierte die eigene Zunft insofern als sie Europa häufig nur vom nationalen Blickwinkel aus betrachte und die Wechselwirkung mit dem eigenen Land oder der eigenen Region nur ungenügend beleuchte. In einem geradezu leidenschaftlichen, mit viel Applaus quittierten Statement forderte Heuer Europa zu mehr Selbstbewusstsein auf und nannte als einzig nötige Begründung für die europäische Einigung den Frieden auf unserem, über Jahrhunderte von Kriegen überzogenem Kontinent.
Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Rose, der gemeinsam mit der neuen Direktorin des Museums für Völkerkunde Professor Dr. Barbara Plankensteiner die dritte Runde der Veranstaltung bestritt, ging auf die Gefühle für Europa ein. Europa müsse, so Rose, eine emotionale Seite haben. Diese sei jetzt endlich auf den Demonstrationen für Europa spürbar. Um Europa noch fester im Bewusstsein zu verankern und gerade für junge Menschen erlebbar zu machen, plädierte er für mehr Austauschprogramme. Jeder Schüler und jede Schülerin solle – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern oder dem Engagement der Lehrer – ein halbes bis ein Jahr im europäischen Ausland verbringen. Eine uneingeschränkt positive Einschätzung der Auswirkungen der EU auf ihre Arbeit gab Barbara Plankensteiner. Der wissenschaftliche Austausch sei vielfältig und durchweg positiv. Interessant auch ihre Einschätzung, dass Europa von außerhalb zumeist als Ganzes wahrgenommen wird.
Der Hamburger Europaabgeordnete und Außenpolitische Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament Knut Fleckenstein mahnte in seinen Schlussbemerkungen, nichts als selbstverständlich oder alternativlos zu nehmen, und griff damit auf, was Andreas Dressel zu Beginn betont hatte: für Frieden, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit muss man täglich kämpfen.
Die Diskussionen waren auch nach der Veranstaltung noch nicht zu Ende. Bei einem kleinen, von der SPD-Fraktion spendierten Imbiss ging es noch einige Zeit weiter. Dabei freute sich Sören Schumacher auch darüber, dass die neue Form der Veranstaltung so gut angekommen war. „Die drei kleinen Runden und die Möglichkeit, Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer aufzunehmen, sind kommunikativer und lebendiger als reine Podiumsdiskussionen. Dieses Format werden wir jetzt sicher häufiger wählen.“