Rechtsextremismus beim Namen nennen

Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft am 05. September 2018 in der Aktuellen Stunde

Hier der Redetext – es gilt das gesprochene Wort:

Frau Präsidentin – Meine Damen und Herren.
Was sind die grundlegenden Elemente unserer Demokratie? Da fällt einem ganz schnell ein:

  • freie und gleiche Wahlen
  • Gewaltenteilung
  • Rechtsstaatlichkeit
  • Unabhängigkeit der Gerichte
  • Mehrparteienprinzip
  • Pressefreiheit

Aber: Nicht einmal in diesen weitreichenden und komplexen Prinzipien erschöpft sich Demokratie. Denn sie erschöpft sich nicht in Spielregeln.
Nach den Erfahrungen der Weimarer Republik, in der es möglich war, mit demokratischen Mitteln die Demokratie selbst abzuschaffen, wurde in Deutschland nach 1945 eine Demokratie aufgebaut, die für bestimmte oberste Werte eintritt.

An deren erster Stelle die Würde des Menschen steht.
Wir verstehen unsere Demokratie daher als „wehrhafte Demokratie“, – eine Demokratie, die sich erfolgreich gegen ihre eigenen Feinde zur Wehr setzen kann und muss.

Als ‚wehrhafte Demokratie‘ verstanden, ist sie nicht nur eine Herrschaftsform – sie ist eine Lebensform, die auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen und gesellschaftlichen Fragen und Prozessen zwingend angewiesen ist.

Dies umso mehr und unmissverständlicher, wenn – wie in den vergangenen Tagen geschehen – eine rechtsextremistische Ideologie ihr abscheuliches Gesicht zeigt, die unsere Demokratie und die mit ihr verbundenen Werte ablehnen, wenn nicht gar verachten.

Und wenn Rechtsradikale auftreten, die sich nicht schämen, den furchtbaren, gewaltsamen Tod eines Menschen für ihre ideologischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Antidemokraten, die mit dem Hinweis auf die demokratische Meinungsfreiheit das Recht beanspruchen, ihre menschenverachtenden, rechtsradikalen Parolen zu verbreiten und ihnen mit verbaler und körperlicher Gewalt Nachdruck zu verleihen, halten wir das Grundgesetz entgegen, dessen Artikel 2 lautet:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Wir sagen deshalb:
Fremdenhass, Rassismus, Antisemitismus, Nazismus sind keine Meinungen, sondern Verbrechen.

Sie sind Angriffe auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und unsere liberale, tolerante und weltoffene Gesellschaft, auf die wir stolz sind, für die wir in weiten Teilen der Welt wertgeschätzt und um die wir von Milliarden Menschen in aller Welt beneidet werden.

Das Motto des Konzerts in Chemnitz am Montag dieser Woche nennt eine wichtige Wahrheit: „Wir sind mehr“.

Das stimmt und sollte auch immer wieder verdeutlicht werden. Aber die Mehrheit zu haben reicht nicht. Die Mehrheit muss sich auch Gehör verschaffen.

Daher ist jetzt die Zivilgesellschaft gefordert. Wie wir in den letzten Tagen nicht nur in Chemnitz gesehen haben, verstehen das immer mehr Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland. So auch heute bei den Gegendemonstrationen in Hamburg.

Und selbstverständlich ist jetzt der Rechtsstaat gefordert, seinen Feinde mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln das zerstörerische Handwerk zu legen.

Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit sind niemals ein für allemal errungen.

Gerade in den letzten Jahren ist dies weltweit zu beobachten.

Lassen Sie uns – gemeinsam mit allen demokratischen gesellschaftlichen Kräften in unserem Land – beweisen, dass der Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft in Deutschland dem Rechtsextremismus keine Chance geben!