Vor siebzig Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das Grundgesetz beschlossen, einen Tag später tat es in Kraft. Es ist die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, also die Grundlage unseres Staates und unseres Zusammenlebens. Es ist die unbestritten beste und glücklicherweise schon jetzt die am längsten gültige deutsche Verfassung seit der Reichsgründung 1871.
Den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates – 65 stimmberechtigte Abgeordnete der westlichen Besatzungszonen sowie fünf nicht stimmberechtigte Abgeordnete aus West-Berlin -, die das Grundgesetz ab September 1948 ausarbeiteten, ist eine Verfassung zu verdanken, die als ein Glücksfall für Deutschland bezeichnet werden darf.
Der Weg zu diesem Glücksfall führte allerdings, wie Heribert Prantl es formuliert “durch Abgründe, er führt durch die Hölle.“ Denn das Grundgesetz wurde mit Blick auf und vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Republik und vor allem des Zivilisationsbruchs der Nazis entwickelt. Von den Werten, für die es steht, bis zu den Regeln für das staatliche Handeln ist es die Antithese zur nationalsozialistischen Barbarei.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten eine freiheitliche Demokratie und eine staatliche Ordnung, die jede Form von Machtergreifung verunmöglicht. Sie wollten Freiheitsgrundrechte fest verankern, die jeden und jede vor Willkür, Erniedrigung und Auslöschung schützen. Mit dem Grundgesetz haben sie eine Verfassung erarbeitet, die diesen Ansprüchen gerecht wird und die zudem überzeitliche Qualität hat. Daher ist es auch nach siebzig Jahren und angesichts gewaltiger politischer, wissenschaftlicher und technologischer Veränderungen noch auf der Höhe der Zeit und als Grundordnung unangefochten.
Die Gewaltenteilung als System zur Verhinderung von Machtergreifungen jeder Art ist ein zentrales Anliegen des Grundgesetzes. Sie verlangt die Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsorganen und die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bei der Gesetzgebung. In der öffentlichen Diskussion wird sie heute bisweilen als zu stark ausgebaut kritisiert, da Prozesse als zu langwierig empfunden werden und die Tendenz zur moderaten Mitte kritisiert wird. Dazu der Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher: „Gerade angesichts zunehmender politischer und gesellschaftlicher Polarisierungen halte ich die Notwendigkeit, zu verhandeln und Kompromisse zu finden, für einen Vorzug, nicht für einen Fehler. Verhandlungsdemokratie ist mühsam, die Ergebnisse sind mitunter nicht leicht zu verstehen und meistens auch nicht besonders schmissig. Auf Dauer aber bringt sie für alle Vorteile – ganz anders als Politik nach der ebenso simplen wie konfrontativen Methode ‚Mehrheit ist Mehrheit‘.“
Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren Vertreter einer streitbaren Demokratie. Sie wollten verhindern, dass es Feinden der Demokratie jemals wieder möglich sein würde, die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu untergraben und letztlich abzuschaffen. Als ‚Hüter der Verfassung‘ fungiert daher ein mit umfassenden Kompetenzen ausgestattetes Verfassungsgericht.
Zur streitbaren Demokratie, die ihre Verfassung schützt, um Menschenrechte, Freiheit und die Demokratie selbst zu schützen, gehört auch der Verfassungsschutz. Der Bundesverfassungsschutz und die Landesbehörden für Verfassungsschutz verstehen sich selbst als erste Verteidigungslinie für die Verfassung. Sie sammeln unter anderem Informationen mit dem Ziel, Individuen oder Gruppen und Vereinigungen zu identifizieren, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sind.
Vor welche Herausforderungen sich der Verfassungsschutz heute sieht, wurde unter anderem auf einem Symposium am Dienstag, dem 23. Mai, in Hamburg thematisiert, zu dem das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz eingeladen hatte. „Der Schutz unserer Verfassung ist eine nie endende Aufgabe“, so Sören Schumacher, der als Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion zu Gast bei dem Symposium war. „Mit den neuen technischen Möglichkeiten verändern sich auch die Arbeitsweisen des Verfassungsschutzes ständig. Das wird nicht leichter, aber die Männer und Frauen, de sich dieser wichtigen Aufgabe widmen, sind ihrer zweifellos gewachsen. Sie verdienen unser aller Anerkennung.“