Im Mai endete die sechsmonatige Zeit des deutschen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarats. Die Zeit des Vorsitzes nutzen die jeweiligen Staaten, um Schwerpunkte zu setzen und Initiativen anzustoßen. Einer der Schwerpunkte des deutschen Vorsitzes war der Schutz von Minderheiten, insbesondere von lesbischen, schwulen/gay, bisexuellen, transgender und intersexuellen (LSBTI/LGBTI) Menschen. Als Abschlussveranstaltung des deutschen Vorsitzes fand eine Online-Diskussion und Erfahrungsaustausch von Vertreterinnen und Vertretern lokaler und regionaler Gebietskörperschaften statt, an der auch ich teilnehmen durfte, um die Erfahrungen aus Hamburg zu teilen. Diese Veranstaltung wurde organisiert von der deutschen Botschaft in Warschau und fand in Kooperation mit dem Kongress der Gemeinden und Regionen im Europarat und mit der Botschaft der USA in Warschau statt. Zu Erfahrungsaustausch und Diskussion waren Vertreterinnen und Vertreter aus Polen, Tschechien, den USA und aus Deutschland von lokaler und regionaler Ebene eingeladen.
Die 2-stündige Online-Veranstaltung wurde eröffnet von Botschafter Arndt Freytag von Loringhoven, der das Thema in den politischen und historischen Kontext setzte. Andrew Boff stellte die Resolution des Kongresses im Europarat zur Stärkung der Rechte von LGBTI-Personen auf der lokalen und regionalen Ebene vor, die er als Berichterstatter des Kongresses im Europarat erarbeitet hat und die im Juni 2021 im Kongress diskutiert und verabschiedet werden wird. Andrew Boff ist seit 2008 Mitglied der London Assembly und Mitglied des Kongresses im Europarat.
Es kommt gerade zu einer verstärkten Polarisation der Gesellschaft und Minderheitenrechte werden zunehmend in Frage gestellt. Diese Entwicklungen sind überall zu beobachten, nicht nur in bestimmten Ländern oder auf einem Kontinent, sondern weltweit. Auch die Diskriminierung von LGBTI-Personen ist nicht auf bestimmte Länder oder Regionen beschränkt. Es ist vielmehr eine weltweite Herausforderung.
Diese Menschenrechtsverletzungen müssen überall und auf allen Ebenen adressiert werden. Einerseits müssen uns als Privatpersonen auf der persönlichen Ebene bemühen. Als politische Akteure haben auch eine Vorbildwirkung. Und die politischen Institutionen können und müssen durch die Schaffung und Gestaltung von Rahmenbedingungen dafür Sorge tragen, dass Toleranz und Offenheit unsere Gesellschaften prägen.
Die Rolle von Parlamenten und Entscheidungsträgern in den Gemeinden und Bundesländern ist herausragend bei der Bekämpfung von Diskriminierung und Hassrede. Vor Ort sind die Auswirkungen der zunehmenden Diskriminierung und Hassrede am ehesten zu spüren. Wenn sich die Menschen zurückziehen und abgrenzen, dann ist dies vor allem vor Ort zu erfahren. Daher ist es auch die Aufgabe der politischen und gesellschaftlichen Akteure vor Ort, herauszufinden, ob und warum es zu Bewegungen gegen bestimmte Communities kommt, bspw. LGBTI- Personen, Personen mit Migrationshintergrund oder Frauen. Und es ist Aufgabe der Akteure vor Ort, für sichere, inklusive und gerechte Lebensbedingungen zu sorgen. Letztlich ist es auch Aufgabe der Akteure vor Ort, als gutes Vorbild voranzugehen und so zu zeigen, dass alle Menschen wertvolle Bestandteile unserer Gesellschaften sind und nicht mit Hassrede im Internet den Weg für andere zu bereiten. Die lokalen und regionalen Akteure können auch dort aktiv werden, wo Nationalregierungen es nicht sind. Ihnen stehen andere Ressourcen zur Verfügung und sie sind näher an den Menschen.
Der Kongress der Gemeinden und Regionen im Europarat informiert und erinnert Gemeinden und Regionen an ihre Aufgabe und gibt ihnen Ratschläge, wie sie aktiv werden können, um LGBTI-Personen zu schützen und zu unterstützen. Dazu gehören neben vielen möglichen Maßnahmen ein Verhaltenskodex für Mitarbeiter der öffentlichen Dienstes, lokale Strafverfolgung und die Einrichtung einer Verbindungsstelle zur Community. Die Einbeziehung der lokalen Ebene ist auch unerlässlich bei der Umsetzung von nationalen Antidiskriminierungsplänen.
Ich nahm an einem Panel teil, in dem Vertreterinnen und Vertreter der regionalen Ebene ihre Erfahrungen und Beispiele guter Praxis austauschten. So konnte ich berichten, dass die Hamburger Polizei Ansprechpartner für LGBTI-Personen hat und dass Polizistinnen und Polizisten während ihrer Ausbildung für das Thema sensibilisiert werden. Auch kleine Zeichen können eine wichtige Botschaft aussenden: Seit mehreren Jahren wird im Rahmen der Pride Week die Regenbogenflagge am Rathaus, aber auch an anderen öffentlichen Gebäuden gehisst und so die Solidarität mit der LGBTI-Community für jeden sichtbar gemacht.
Die Veranstaltung wurde auch aufgezeichnet und kann hier abgerufen werden: