Begeisterung für die Wirksamkeit regionaler Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg, viele Ideen für die Beteiligung junger Menschen an politischen Entscheidungsprozessen und das gemeinsame Interesse, Europa zu stärken – das kennzeichnet eine Online-Konferenz am 29. April, die von der deutschen Delegation im Kongress des Europarats und deren Leiter dem Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Sören Schumacher initiiert worden war.
Die mehr als 50 Teilnehmenden aus etlichen der 47 Länder, die im Europarat vertreten sind, nutzten die Gelegenheit, sich dank kompetenter Referentinnen und Referenten über die Arbeit der Ostseeparlamentarierkonferenz (BSPC – Baltic Sea Parliamentary Conference) sowie Projekte der Jugenddelegierten im Kongress des Europarats zu informieren. Dabei handelte es sich speziell um Projekte, in deren Zentrum Fragen der Nutzung digitaler Medien für die Jugendbeteiligung steht.
Der Generalsekretär der BSPC, Bodo Bahr, stellte diese als Beispiel gelungener und wirkungsvoller regionaler Kooperation dar. Das wichtigste Instrument dieses, 1991 gegründeten Gremiums, dem sämtliche Ostseeanrainer sowie Island angehören, seien die jährlich verabschiedeten Resolutionen, die den nationalen Parlamenten vorgelegt werden. Dass diese nur einstimmig verabschiedet werden können, wertete die Vorsitzende der BSPC-Arbeitsgruppe Biodiversität und Klimawandel Cecilie Tenfjord-Toftby als nützlich. Es zwinge die Mitglieder dazu, herauszufinden, was sie vereint, den “Leim zu finden, der uns alle vereint.” Die Gespräche in der BSPC seien von Offenheit und dem Interesse, voneinander zu lernen, geprägt. Es gehe darum, Probleme als gemeinsame definieren und diese dann in den nationalen Parlamenten zum Thema zu machen, Dabei spiele die Suche nach beispielhaften Projekten eine wichtige Rolle, die dort präsentiert werden können.
Johannes Schraps, Vizepräsident der BSPC und Bundestagsabgeordneter, und die Stellvertretende Vorsitzende der BSPC-Arbeitsgruppe Biodiversität und Klimawandel und Abgeordnete im Parlament der autonomen Region Åland, Liz Mattsson, wiesen auf zwei weitere wichtige Aspekte der Arbeit der Ostseeparlamentarierkonferenz hin. Liz Mattsson führte aus, dass es für eine so kleine Region wie Åland – eine Inselgruppe im südlichen Bottnischen Meerbusen, etwa auf halbem Wege zwischen Schweden und Finnland gelegen – besonders wichtig sei, über die Mitgliedschaft in der BSPC einer größeren, internationalen Organisation anzugehören. Dies sei gerade im Hinblick auf die großen Herausforderungen durch den Klimawandel von größter Bedeutung. Johannes Schraps stellt die Bedeutsamkeit persönlicher Kontakte für die internationale Zusammenarbeit dar. Daher seien auch die informellen Gespräche und das zwanglose Beisammensein am Rande von Konferenzen unverzichtbar.
Junge Menschen, so wurde in der Diskussion deutlich, sind bereits in die Arbeit der BSPC integriert. Diese Jugenddelegierten erarbeiten Vorschläge, die in die Resolutionen integriert werden. Cecilie Tenfjord-Toftby kündigte darüber hinaus an, dass es eine ständige Jugendorganisation innerhalb der BSPC gegründet werden solle. Vorschläge dazu sollen in Kürze vorgelegt werden. Man wolle so viel Kontakt wie möglich zu jungen Menschen haben. Die BSPC wolle Brücken nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen den Generationen bauen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellten Jugenddelegierte des Kongress des Europarats mit hoher Kompetenz und großem Engagement zwei Projekte vor, die die Beteiligung Jugendlicher an politischen Entscheidungsprozessen unter Einsatz digitaler Technik ermöglichen und fördern. Souverän moderiert wurde dieser Teil von der deutschen Jugenddelegierten Alina Wenger.
Zum einen handelte es sich um eine Studie unter Beteiligung des Youth Department of the Council of Europe, in der es um die Einsatz digitaler Medien zur Förderung der Jugendpartizipation geht. Dabei wurde klar, dass auf vielen Ebenen an dieser Aufgabe gearbeitet wird und Jugendliche Brücken zur Digitalisierung bauen könnten. Es würden viele Lösungen getestet. Klar sei, dass nicht jede überall gleichermaßen geeignet sei.
Zum anderen wurde ein Projekt in Genf als Best Practice Beispiel vorgestellt. Dessen Ziel war es, Jugendliche dazu zu bewegen, Vorschläge für die Verbesserung und Veränderung ihres Lebensumfeldes vorzuschlagen, und im weiteren Verlauf gemeinsam mit politisch Verantwortlichen an der Implementierung jener Ideen zu arbeiten, die realisiert werden sollen. Dabei lief die erste Phase – die der Ideensammlung – auf digitalem Wege. Für die Phase der Implementierung allerdings, so die Referentin Léa Hatt, bedürfe es nach wie vor persönlicher Kontakte. Zugleich zeige sich an diesem Projekt, dass der Prozess der Beteiligung junger Menschen an politischen Entscheidungsprozessen am besten gelinge, wenn man auf kommunaler Ebene ansetze und sich nicht auf soziale Medien allein verlasse, sondern auch andere Organisationen einbeziehe.
Auf was sollte der Kongress des Europarats nach Meinung der an der Konferenz beteiligten Jugenddelegierten hinwirken? Nach Meinung von Gianluca Rossino sollten mehr Service online gebracht und in digitale Infrastruktur investiert werden. Außerdem sollten Prozesse etabliert werden, um jungen Menschen zuzuhören, beispielsweise Online-Focus-Groups. Wichtig sei auch, die Prozesse offenzuhalten, nicht alles vorher komplett durchzuplanen.
Léa Hatt plädierte dafür, die bereits vorhandenen digitalen Partizipationsinstrumente zu nutzen. Dies müsse niedrigschwellig möglich sein. Außerdem müsse in digitale Kompetenz (digital literacy) investiert werden. Und schließlich wünsche sie sich bessere Online-Auftritte und bessere digitale Kommunikation auf lokaler, kommunaler Ebene.
In ihren abschließenden Worten sprachen sich sowohl Bernd Vöhringer, der Präsident der Kammer der Gemeinden des Kongresses, als auch Bodo Bahr dafür aus, Jugendliche auf allen Ebenen der Politik in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, auch auf digitalem Weg. Dies verbessere, so Bernd Vöhringer, den demokratischen Prozess. Er versicherte, dass die Ergebnisse der Konferenz Eingang in die Arbeit des Kongresses finden werden und dankte den jungen Teilnehmenden für ihre Arbeit und ihr Engagement.
Zum Abschluss der Konferenz wurde den Organisatoren und den Teilnehmenden noch eine besondere Ehre zuteil. Der Präsident des BSPC, Pyry Niemi, nutzte eine Sitzungspause des schwedischen Parlaments, dem er angehört, für ein Grußwort. Er dankte den Organisatoren der Konferenz und stellte kurz die vier Säulen der schwedischen Präsidentschaft des BSPC vor. Dabei geht es unter anderem um neue Formen des politischen Engagements mit Fokus auf junge Menschen und die Zivilgesellschaft sowie um die Demokratie in einer sich ändernden Medienlandschaft – Themen also, die sich nahtlos an die Themen der Online-Konferenz anschließen.
In seinem Schlusswort dankte Sören Schumacher den Referentinnen und Referenten, Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie allen, die an der Organisation der Veranstaltung beteiligt waren. Er sicherte zu, dass die deutsche Delegation die Ergebnisse in die Arbeit des Kongresses einbringen werde.