Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats trat vom 24. bis 26. Oktober 2023 in Straßburg zu seiner 45. Sitzung zusammen, dieses Mal im Gebäude des Europäischen Parlaments. Diese Sitzung war durch Wahlen geprägt. Die Kongressabgeordneten wählten für die kommenden zweieinhalb Jahre Marc Cools (Belgien) als neuen Präsidenten. Er folgt auf den Niederländer Leendert Verbeek. Cools dankte Verbeek für seinen Einsatz für den Kongress, vor allem während des Rejkjavik-Gipfels. Er betonte, dass die Nähe zwischen den gewählten Vertretern und den Bürgern eine lebendige Demokratie ausmache. Es müssen neue Wege gefunden werden, die Bürger in Beratungen einzubinden und Entscheidungen möglichst nahe an den Bürgern zu fällen.
Am Vorabend der Sitzung war die deutsche Delegation in die Ständige Vertretung Deutschlands eingeladen. Die Botschafterin Heike Thiele hat uns in Straßbourg herzlich willkommen geheißen und bei einem tollen Buffett kamen die deutschen Kongress-Abgeordneten ins Gespräch miteinander. Auch der Einladung am Dienstag in die Vertretung des Vereinigten Königreichs ist die Delegation gern gefolgt. Nach der gemeinsamen Eröffnungsrede durch die britische Delegationsleiterin Bryony Rudkin und mich als deutschen Delegationsleiter war es eine Freude zu sehen, wie harmonisch die Atmosphäre zwischen unseren beiden Delegationen ist. In den Gesprächen stellten wir jedoch auf beiden Seiten fest, welche Auswirkungen der Brexit auf ganz vielen Ebenen zeigt.
Die inhaltlichen Debatten des ersten Sitzungstages waren geprägt von den aktuellen politischen Ereignissen. Der Kongress beschloss eine Resolution über die Notlage der Anti-Kriegs-Aktivisten und gewaltlose politische Gefangenen in Russland. Diese Resolution wurde vom ehemaligen Präsidenten Verbeek vorgestellt. Die neuen Prioritäten des Kongresses für 2023 bis 2026 wurden ebenfalls beschlossen. Sie bauen auf den Ergebnissen des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs in Reykjavik im Frühjahr 2023 auf und umfassen die Demokratieförderung, die Überwachung der lokalen und regionalen Demokratie und die Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der erste Sitzungstag endete mit einem Austausch über die Ergebnisse des UN-Gipfels zu den Nachhaltigkeitszielen in New York.
Der Kongress setzte sich auch mit der humanitären Lage in Berg-Karabach und benachbarten Städten und Regionen auseinander. Mehr als 100.000 Karabach-Armenier waren in das benachbarte Armenien geflüchtet. In der verabschiedeten Erklärung verurteilten wir die Militäroperation von Aserbaidschan in Berg-Karabach nach einer 10-monatigen Blockade. Der Kongress erklärte seine Solidarität mit den lokalen Behörden, die die Karabach-Armenier aufnehmen und bestätigte seine Bereitschaft, die armenischen Behörden zu unterstützen. Aserbaischan solle die Versorgung mit humanitärer Hilfe für diejenigen, die in der Region geblieben sind, nicht behindern.
„Gewalt gegen lokale und regionale Vertreter“, „Die Rolle der Regionen in der Energiewende“, „Die Ziele für Nachhaltige Entwicklung erreichen: regionale Erfahrungen und gelernte Lektionen“, „Lokale und regionale Medien: Bewacher der Demokratie, Hüter des gemeinschaftlichen Zusammenhalts“: So lauteten die Titel der Berichte, die während der Sitzung debattiert wurden.
Am zweiten Sitzungstag wurden auch Berichte beschlossen, in denen überprüft wurde, inwiefern in Estland, Irland und der Slowakischen Republik die Regelungen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung umgesetzt werden. Den Bericht zum Monitoring in Estland durfte ich gemeinsam mit Harald Bergmann aus den Niederlanden dem Plenum vorstellen. Dies ist der vierte Monitoring-Bericht, seit Estland 1994 die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung verabschiedete. Wir konnten sehen, dass die Selbstverwaltung in Estland gut funktioniert. Die territoriale Verwaltungsreform von 2017 hatte positive Auswirkungen und neue Technologien werden zunehmend demokratische und Verwaltungszwecke genutzt. Es gab wenige Anmerkungen für zukünftige Verbesserungen. Der estnische Minister für regionale Angelegenheiten Madis Kallas unterstrich, dass es das Ziel sei, das interne Selbstmanagement der örtlichen Behörden zu erhöhen, indem die Organisation klarer, einfacher und flexibler wird. Der Kongress nahm unseren Bericht einstimmig an. Des weiteren standen die Berichte zu Wahlbeobachtungen der Kommunalwahlen in Albanien und der Wahlen des Seniorenrates in Jerewan (Armenien) auf der Tagesordnung.
Wie bei jeder Sitzung des Kongresses nahmen Jugenddelegierte aus mehr als 40 Mitgliedstaaten an den Debatten teil. Fünf Jugenddelegierte stellten ihre eigenen Projekte vor, die sie im Rahmen der Kongress-Initiative „Politik verjüngen“ erarbeitet haben. 2023 wurden insgesamt 33 Projekte in 32 Ländern von den Jugenddelegierten durchgeführt, diese erreichten 20.000 Jugendliche und junge Menschen mit unterschiedlichsten sozialen, wirtschaftlichen und Bildungshintergründen. Es zeigte sich erneut, dass die Beteiligung der jungen Menschen gut für die Demokratie und ein Treiber für Wandel ist.